Spiegel, Walter

Studienrat Dr. phil. Walter Spiegel

Nicolaiberg 6

1 Stolperstein gesetzt am 27.11.2019

Studienrat Dr. phil. Walter Spiegel kam vor Ostern 1932 von Gotha nach Gera. Ein Schüler hatte ihn wegen pazifistischer Äußerungen im Unterricht angezeigt. Daraufhin hatte er beim Thüringer Volksbildungsministerium um Versetzung an die Geraer Mittelschule gebeten. Er hatte schon reichlich pädagogische Erfahrung, denn er war schon 16 Jahre Lehrer und 44 Jahre alt. Seit 12 Jahren war er- kinderlos- verheiratet. Mit seiner Frau und seiner Mutter wohnte er in der Geraer Kaiser-Wilhelm-Straße. Dr. Spiegel hatte die Lehrerlaubnis für evangelische Religion, Philosophie, alte Sprachen, Mathematik und Musik. In Gera erlebte er die Machtergreifung der Nationalsozialisten und die Anwendung deren Rassegesetze am eigenen Leibe. Er hatte Großeltern jüdischer Herkunft. Bereits nach 18 Monaten bekam er Berufsverbot und wurde in den Zwangsruhestand versetzt.Dabei fühlte er sich als patriotisch gesinnter protestantischer Christ. Er hatte Sympathie und gute Kontakte zur Bekennenden Kirche.Jetzt wurde es wirtschaftlich schwer. Selbst Privatschüler durften ihn nicht mehr besuchen.1935 musste das Ehepaar ihre Wohnung mit einer Untermiete in der Agnesstraße tauschen. 1937 verließen Dr. Spiegel und seine Frau Gera.

Vom 11. November bis 15. Dezember 1938 war Dr. Spiegel in der –Zitat- „Hölle von Buchenwald“. Krank kam er aus dem KZ zurück. Im Januar 1939 floh das Ehepaar auf getrennten Wegen mit je 10 Reichsmark in die Schweiz. Im Juli 1939 kommen sie mit geborgtem Geld in die USA. Dort leben sie vorwiegend in Cincinnati. Die ersten Jahre sind schwer, denn Dr. Spiegel spricht nicht fließend Englisch. Seine Frau verdient das Geld für beide. Von 1947-50 ist er Honorarprofessor für Musik am katholischen Quincy-College. Walter Spiegel wurde 1940 vom Deutschen Reich zwangsausgebürgert und die Geraer Gestapo betrieb seine fachlich grundlose Depromotion. Professor Dr. phil. Walter Spiegel (68) stirbt während einer Europareise 1956 in Spanien.

Verlegeort ist vor seiner Arbeitsstätte Mittelschule (MW 2019)