Sommerfeld, Familie

Frau Paula Sommerfeld und Tochter Ruth

Hußstraße 12 (damals Schulstr. 20)

2 Stolpersteine gesetzt am 27.11.2019

Die jüdische Frau Paula Sommerfeld war seit 1929 alleinerziehende Mutter. 1927 war in Gera ihre einzige Tochter Ruth geboren worden. Ein erster schwerer Schicksalsschlag traf die Familie. Der Familienvater Bendet Sommerfeld war im Alter von 30 Jahren an einem Gehirntumor gestorben. Paula war ein Teenager von 15 Jahren, als sie mit ihrer ganzen Familie in Gera ankamen. Es waren Paulas Vater, der Witwer Jacob Rubinson, ihre Stiefmutter Masha Milewicz, und ihre Geschwister Jenny, Alex und Elke. Sie waren aus Grajewo im russisch besetzten Ostpolen vor den Judenpogromen nach Gera geflüchtet. In Gera hat sie wohl Anfang der zwanziger Jahre ihren Mann Bendet geheiratet. Auch er stammte aus Grajewo. Eine Besonderheit: Beide waren auf den Tag genau gleichalt.Die junge Witwe Paula Sommerfeld meldete noch im Todesjahr ihres Mannes auf sich selbst ein Handelsgewerbe an, das bis zum 12. Oktober 1938 bestehen sollte. Außerdem half sie mit in der Geraer Firma ihres Schwagers Jacob Wernik, ebenfalls aus Grajewo.Am 28. Oktober 1938 wurden Paula, sie selbst jetzt 40 Jahre alt, und ihre 11jährige Tochter Ruth Opfer der Polen-Aktion der Nationalsozialisten. Gemeinsam mit weiteren Familienangehörigen und tausenden Leidensgenossen kamen sie per Bahn an die damalige deutsch-polnischen Grenze. Dort wurden sie Ende Oktober im Freien im Niemandsland ausgesetzt.

Der inzwischen 12jährigen Ruth gelang die Flucht nach England. Jüdische Hilfsorganisationen kauften jüdische Kinder frei. Wenige Tage vor Kriegsausbruch 1939 gelangte sie in einen Kindertransport. Von Warschau fuhr sie mit der Bahn zum Ostseehafen Gdynia und mit dem Schiff nach Birmingham. Dort lebte sie in einer Gastfamilie. Sie beendete ihre Schulbildung, studierte Pädagogik und war zuletzt Subdirektorin einer jüdischen Schule in London. Frau Ruth Sommerfeld starb 2006 in London im Alter von 78 Jahren.

Ihre Mutter Paula Sommerfeld durfte nicht mit nach England. 1938-41 fand sie Unterkunft bei ihrer Tante, die in der Kleinstadt Zelwa in Weißrussland lebte. Dort lebte sie bis zum Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion. Wenige Tage nach der Besetzung von Zelwa wird sie an einem unbekannten Tag auf dem Weg ins Ghetto Wilna von einem Sonderkommando ermordet.Von ihren 42 Lebensjahren hat Paula Sommerfeld rund 25 Jahre in Gera gelebt.

Verlegeort ist vor der ersten gemeinsamen Wohnung Schulstraße 20 (MW 2019).